Bedürfnisse in Konfliktsituationen – wieso es wichtig ist, sie auszudrücken

Bedürfnisse in Konfliktsituationen

Wie der Ausdruck deiner Bedürfnisse Konfliktgespräche voranbringt

Was ist hier mit Bedürfnissen gemeint? Sicher nicht das "Bedürfnis" danach, Recht zu behalten oder in einem Konflikt die eigenen Vorstellungen durch­zu­setzen. Und wie hilft dir der Ausdruck deiner Bedürfnisse in einem Konfliktgespräch?

Umgangssprachlich sagen wir zum Beispiel gern:

Ich habe das Bedürfnis, dass du jetzt endlich Ruhe gibst.

Das ist kein Bedürfnis, sondern eine verkappte Verhaltensanweisung.

Oft hören sich Bitten wie Verhaltensanweisungen an:

  • Dreh bitte die Musik leiser.
  • Seien Sie bitte pünktlich zur Besprechung.
  • Mach bitte die Tür zu.
  • Stör mich nicht, ich habe zu tun.

Wenn die andere Person diese Bitte klaglos akzep­tiert, ist alles gut. Problematisch wird es, wenn sie sie nicht als Bitte, sondern als Anweisung hört und verärgert reagiert. Dann habt ihr Klärungsbedarf. Vorbeugen kannst du dem, indem du dein Bedürfnis ausdrückst, statt dem anderen zu sagen, was er tun oder lassen soll.

Als Bedürfnis ausge­drückt würde es heißen:

  • Ich brauche etwas Ruhe. Ich hatte einen stres­sigen Tag.
  • Ich möchte gern mit allen gemeinsam die Besprechung beginnen. Deshalb ist mir wichtig, nicht warten zu müssen.
  • Ich möchte es gern warm haben hier im Raum, deshalb mach bitte die Tür zu, wenn du raus gehst.
  • Ich möchte mich die nächsten zwei Stunden ganz auf meine Arbeit konzen­trieren können.

Wenn du etwas als Bedürfnis ausdrückst, kann das dein Gegenüber meist gut annehmen. Denn Bedürfnisse (wenn es tatsächlich echte Bedürfnisse sind) kann man nicht streitig machen. Deshalb bist du in einem Konfliktgespräch erfolg­reicher, wenn du dich auf dein Bedürfnis beziehst.

Was genau ist ein Bedürfnis?

Im Wikipedia habe ich folgende Definition gefunden: Unter Bedürfnis versteht man in der Alltagssprache ein Verlangen, einen Wunsch, Ansprüche oder etwas meist Materielles zum Leben Notwendiges.

Marshall Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, definiert es so:

Bedürfnisse sind immer etwas Positives. Etwas was du brauchst, damit du leben kannst und dich wohlfühlst.

Du kannst ein Bedürfnis nach Wärme, Nahrung, Schlaf, frischer Luft, Bewegung, Anerkennung deiner Arbeit, Verständnis von anderen, nach Liebe, Wertschätzung, Ruhe, Anregung, Ordnung, Spontaneität, Verlässlichkeit, Vertrautheit, Sicherheit haben.

Für sich gesehen stellen Bedürfnisse kein Problem dar. Konflikte entstehen dann, wenn Menschen mit unter­schied­lichen, sich wider­stre­benden Bedürfnissen zusam­men­treffen und jeder auf seinem Bedürfnis beharrt und nicht verhand­lungs­bereit ist.

Sobald jemand aus einem Bedürfnis heraus handelt, das im Gegensatz zu deinem Bedürfnis steht, hast du ein Problem.

Deshalb schau in einer Konfliktsituation zuerst danach, wessen Bedürfnis nicht befriedigt wird.

Viele Menschen sind sich nicht klar, dass das Problem in den sich wider­stre­benden Bedürfnissen besteht.

Sehr oft sehen wir unser eigenes Bedürfnis als das „richtige“ an. Das Bedürfnis, aus dem das Verhalten der anderen Person resul­tiert, sehen wir als „falsch“ an. Folglich ist das Handeln der anderen Person ein Fehl-​Verhalten. Wenn du das verstanden hast, bist du einen großen Schritt weiter.

Ein Beispiel: Frische Luft im Büro

Zwei Menschen arbeiten im gleichen Büro. Der eine mag es warm und hasst Zugluft. Der andere liebt frische Luft und findet den Raum total stickig. Die Verlockung ist groß, dass man das Bedürfnis des anderen nicht akzep­tiert und ärgerlich wird, wenn die andere Person etwas unter­nimmt, um ihr Bedürfnis zu befriedigen..

Einen Konflikt gibt es immer dann, wenn jemand glaubt, dass sein Bedürfnis mehr berechtigt ist und sich durch­zu­setzen versucht.

In der fairen Kommunikation geht es nie um richtig oder falsch, sondern um die Frage, wie wir unsere unter­schied­lichen Bedürfnisse befriedigt bekommen.

Beachte: Wir unter­scheiden zwischen Konflikten aufgrund wider­stre­bender Bedürfnisse und Konflikten aufgrund gegen­sätz­licher Wertvorstellungen. Hier erfährst du mehr: Bedürfnis- und Wertkonflikte unterscheiden

Welche Erfahrungen hast du gemacht beim Ausdrücken deiner Bedürfnisse in Konfliktsituationen?


Ich freue mich über deinen Kommentar und wenn du diesen Artikel weiter empfiehlst.

4 Kommentare
    • Karin Mager sagte:

      Ja, Beatrix, nicht zielführend und doch so verfüh­re­risch, Bedürfnisse anderer abzuwerten. Wer von uns macht das nicht gelegentlich. ;-)

  1. poll sagte:

    Interessant, danke! Ich werde es gleich mitnehmen in mein Arbeitsleben.
    Und doch, einfach ist es nicht:
    Meine Bürokollegin spielt etwa alle halbe Stunde ein Computerspiel, leicht erkennbar am nervösen Klicken und offen zugegeben. Ich wünsche mit eine konstruk­tivere Arbeitsatmosphäre und bin davon genervt (Bedürfnis). Ich finde es außerdem ausge­sprochen frech, dass sie darauf besteht, sie könne ihre Pausen doch verbringen, wie sie möchte – darauf angesprochen, dass ich nicht gut dabei arbeiten kann. Anders gesagt (Wertvorstellung): Computerspiele gehören nach meiner Vorstellung nicht ins Büro. Ob ich nun dabei bleiben sollte, es als Bedürfniskonflikt zu behandeln?

    Antworten
    • Karin Mager sagte:

      Ja, das ist ein inter­es­santes Beispiel für die Unterscheidung von Bedürfnis- und Wertkonflikten. Ich möchte es ein bisschen aufdröseln.

      Du schreibst: "Ich wünsche mir eine konstruk­tivere Arbeitsatmosphäre und bin davon genervt (Bedürfnis)."
      Wenn du das zu deiner Kollegin sagst, wird sie wahrscheinlich verständ­nislos gucken und dich fragen: "Von was sprichst du? Was ist denn hier nicht konstruktiv?" – Denn du bewertest hier, sprichst also nicht von deinem Bedürfnis und drückst nicht aus, was genau dich stört.

      Klarer bist du, wenn du sagst: "Ich möchte in Ruhe arbeiten können und das Klicken, wenn du in der Pause am Computer spielst, stört mich. Ich mache gerade nicht Pause und möchte ungestört arbeiten können."
      Oder im Falle, dass ihr gleich­zeitig Pause macht und beide im Raum sitzt: "Ich möchte mich gern in der Pause entspannen und das fällt mir schwer, wenn du am Computer so viel herumklickst."

      Ich sehe das als einen Bedürfniskonflikt an, wenn du dich bei deiner Arbeit oder auch in deiner Pause vom Klicken der Kollegin gestört fühlst.
      Ein Wertkonflikt wäre es, wenn ihr zum Beispiel gleich­zeitig Pause habt, du dann draußen bist, während sie ihre Pause zum Computerspielen nutzt, und du sie davon abbringen willst, obwohl du nicht davon beein­trächtigt bist. Die Diskussion, die sich daraus ergibt, ist dann tatsächlich ein Wertkonflikt.

      Lass mich gern wissen, wie das Gespräch weiter gegangen ist.

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