6 Wege zum Umgang mit Wertkonflikten

6 Wege zum Umgang mit Wertkonflikten

 

Egal ob im Beruf oder in unseren persön­lichen Beziehungen – überall müssen wir uns Konflikten stellen. Bei jedem Konflikt solltest du als erstes checken: Habe ich hier einen Bedürfnis- oder Wertkonflikt? Denn bei einem Wertkonflikt musst du anders vorgehen als bei einem Bedürfniskonflikt. Hier lernst du 6 Wege zum Umgang mit Wertkonflikten kennen.

Woran erkennst du einen Wertkonflikt?

Das Verhalten des anderen beein­trächtigt dich nicht, deine Bedürfnisse zu befrie­digen. Trotzdem möchtest du das Verhalten der anderen Person beein­flussen, weil es nicht deinen Wertvorstellungen entspricht.

Beispiele:

  • Dein Partner raucht oder er isst zu viel und ungesund und treibt zu wenig Sport.
  • Dein 16jähriger Sohn vernach­lässigt die Schule und spielt statt­dessen ständig am Computer.
  • Du möchtest, dass deine Tochter beim Fahrradfahren einen Helm trägt, obwohl sie schon 18 ist.
  • Du bekommst mit, wie an deinem Arbeitsplatz über andere gelästert wird.

Wertkonflikte gegenüber unserm Partner und unseren Kindern sind häufig, weil wir oft meinen, besser zu wissen, was für sie gut ist. Wir mischen uns ungefragt in ihr Leben ein.

Dagegen sind wir gegenüber wir Vorgesetzten, KollegInnen, Eltern und Freunden mit einer solchen Bevormundung eher zurück­halten sind.

Einen Wertkonflikt erkennst du gut daran, wie entschieden die andere Person deine Beeinflussungsversuche abwehrt. 

Es fallen oft Sätze wie:

  • Lass mich in Ruhe damit! Das ist meine Sache!
  • Das geht dich nichts an!
  • Das mache ich wie ich will! Misch dich nicht ein!

Mehr dazu: Weshalb du Bedürfnis- und Wertkonflikte unter­scheiden solltest

Wie kannst du auf andere konstruktiv einwirken, ohne penetrant zu werden?

Sechs Wege, mit Wertkonflikten umzugehen

1. Mit den Unterschieden leben lernen

Diese Herangehensweise an einen Wertkonflikt ist die energie­spa­rendste. Du lässt den anderen einfach nach seiner Fasson glücklich werden. Allerdings erfordert diese Haltung von dir echte Toleranz. Denn „mit den Unterschieden leben lernen“ heißt: Verständnis für unter­schied­liche Lebensweisen zeigen und jemanden mit seinen Eigenarten so zu akzep­tieren wie er ist. 

Gerade bei Fragen der Religion, Kleidung, Ernährung und des äußeren Lebensstils ist oft unsere Toleranz gefordert.

Beispiel: Jugendmode

Die 16jährige Ilona läuft mit riesigen Löchern in ihrer Jeans herum. "Man trägt das jetzt so", verkündet sie. Ihre Mutter ist entsetzt. Ilonas Mutter hört von anderen Eltern, dass sie ähnliche Diskussionen haben. Sie könnte sich sagen:
Es fällt mir zwar wirklich schwer zu verstehen, was an einer durch­lö­cherten Jeans schön sein soll. Aber da Ilona anscheinend nicht die einzige ist, die mit solchen Jeans herum läuft, finde ich mich jetzt damit ab und werde das Thema nicht mehr anschneiden.

Sie drückt damit aus: Ich lasse das Streitthema los und akzep­tiere, was du machst, auch wenn ich anders darüber denke. 

Deine Toleranz ist dann stimmig, wenn kein Groll damit verbunden ist und du das Thema loslassen kannst.

Anderenfalls solltest du einen anderen Weg finden. Welche Möglichkeiten gibt es noch?

2. Einfühlsam zuhören

Wenn du jemanden in seinem Verhalten beein­flussen möchtest, solltest du dir Zeit nehmen, die Haltung des anderen zu verstehen. Halte deine Meinung erst einmal zurück und hör der anderen Person zu. Wie denkt sie selber über das von dir skeptisch beurteilte Verhalten?

Wieso ist es Egon im Beispiel oben so wichtig, einen SUV zu fahren? Wofür braucht er so ein großes Auto?
Wieso findet Ilona ihre Löcher-​Jean so toll? Fühlt sie sich immer wohl damit oder gibt es Situationen, wo sie ihr peinlich sind?

Womöglich wird deinem Gegenüber im Gespräch mehr über seine inneren Antriebe bewusst und er verändert sein Verhalten.
(Siehe auch: „Wie dir einfühl­sames Zuhören in einem Konfliktgespräch hilft”.)

Einfühlsames Zuhören hilft dir, die Beweggründe deines Gegenübers besser zu verstehen. Gleichzeitig kann es ein Anstoß sein für sie, ihr Verhalten zu überdenken.

3. Konfrontieren, wenn auch ein Bedürfniskonflikt besteht

In einem Wertkonflikt kann auch ein Bedürfniskonflikt enthalten sein. Das heißt, ihr habt nicht nur unter­schied­liche Wertvorstellungen zu einem Thema. Sondern du fühlst dich in manchen Situationen durch das Verhalten deines Partners auch konkret beein­trächtigt. Diesen Aspekt kannst du konfron­tieren. Du kannst hier wie bei einem Bedürfniskonflikt vorgehen. Siehe Ein faires Konfliktgespräch führen

Der Vorteil bei einem Bedürfniskonflikt ist, du kannst Argumente anführen, die dein Gegenüber mehr überzeugen, weil du selbst betroffen bist.

Einen Bedürfniskonflikt erkennst du, indem du dich selbst befragst: 
Werde ich durch das Verhalten des anderen konkret beein­trächtigt?
Hindert es mich an der Befriedigung eines Bedürfnisses?

Beispiel: Der Partner raucht

Ralf raucht viele Zigaretten am Tag. Seine Frau Carola fürchtet um seine Gesundheit. Deshalb möchte sie, er soll damit aufhören. So lange Ralf sich rücksichtsvoll verhält und nur auf dem Balkon raucht, handelt es sich um einen Wertkonflikt. Denn seine Frau möchte ihn zwar vom Rauchen abbringen, doch sie ist nicht unmit­telbar beeinträchtigt.

Es könnte aber gut sein, dass es Carola nervt, wenn die Kleidung und sogar die Küsse von Ralf penetrant nach Rauch riechen. Und dass er ständig nach draußen geht, um zu rauchen, macht das Zusammensein ungemütlich. Sie fühlt sich konkret gestört.

Diese Aspekte des Verhaltens kannst du konfron­tieren. Und bei diesen Punkten hast du mehr Argumente zur Hand und damit mehr Aussicht auf Erfolg. Sieh hierzu den Artikel "Bedürfnisse in Konfliktsituationen – wieso es wichtig ist, sie auszudrücken".

4. Eine wertschätzende Gesprächskultur schaffen

Häufig neigen wir dazu, bei konträren Wertvorstellungen gar nicht genau hin zu hören, sondern gleich zu wider­sprechen. Bei Wertkonflikten kann es aber sehr hilfreich sein, dem Standpunkt des anderen zu würdigen mit der Intention:
Ich stimme zwar nicht mit dir überein, doch auch wenn es mir schwer fällt möchte ich dir Raum geben, damit du deinen Standpunkt äußern kannst. 

Der Unterschied zum Punkt 2 "Einfühlsam zuhören" ist:
Ich habe nicht den Anspruch, die Sichtweise des anderen, seine Wertvorstellung zu verändern. Doch ich schaffe ein Gesprächsklima, in dem wir beide frei sprechen können. Unsere Standpunkte können sich einander annähern – oder auch nicht.

Beispiel: Nehmen wir mal an, du hast eine Arbeitskollegin, die grund­legend andere Ansichten zur Asyl- und Flüchtlingsproblematik hat als du. Tatsächlich ein komplexes Thema. Und gerade da zeigt sich schnell:
- Schafft ihr es, trotz wider­strei­tender Ansichten einen wertschät­zenden Diskussionsstil zu bewahren?
- Hört ihr euch gegen­seitig zu oder fallt ihr einander dauernd ins Wort?
- Versucht einer, die Sichtweise des anderen lächerlich zu machen?

Oft mündet das Gespräch in eine Diskussion, in der es darum geht, wer hat Recht und wessen Ansicht ist falsch. 

Es gibt bei Wertvorstellungen kein richtig oder falsch. Wertvorstellungen sind immer subjektiv.

Sie sind geprägt

  • von persön­lichen Vor-​Erfahrungen und eventuell daraus resul­tie­renden Ängsten,
  • von konkretem Faktenwissen oder auch Nichtwissen und den Schlüssen, die man daraus zieht,
  • beein­flusst durch die Medien, über die man sich informiert,
  • durch Diskussionen im Familien‑, Freundes- und Bekanntenkreis.

Du wirst die Ansichten deines Gegenübers nicht ohne Weiteres verändern können. Am meisten bewirkst du, wenn du trotz aller Differenzen wertschätzend mit Andersdenkenden umgehst. Zugegeben, das ist oft ziemlich herausfordernd.

5. Eigene Wertvorstellungen verändern

Du hast immer auch die Möglichkeit, deine eigene Wertvorstellungen unter die Lupe zu nehmen und gegebe­nen­falls zu verändern. Das erfordert besonders viel Offenheit.

Für das obige Beispiel mit den löchrigen Jeans würde das bedeuten: Ilonas Mutter erkennt in dem, was Ilona durch diese Jeansmode ausdrücken möchte, etwas sehr Positives – vielleicht ist es ja eine Form von Unbekümmertheit und Frechheit, die sie nie zu leben wagte.

Beispiel: Sexualmoral

In Bezug auf unsere Vorstellungen, was sexuell schicklich und "normal" ist, hat sich in den letzten Jahrzehnten besonders viel verändert. Heute können Homosexuelle sogar heiraten, früher mussten sie ihre Neigung verstecken und waren geächtet. Manchen Menschen fällt es immer noch schwer, hier ihre Wertvorstellungen zu korrigieren.

Eine liebge­wonnene Wertvorstellung zu verändern, bedeutet einen besonders großen Lernschritt: Du musst altver­traute Einstellungen neu überdenken, neue Informationen oder Erfahrungen verar­beiten und sie neu bewerten. Im Gegensatz zu Punkt 1 "Mit den Unterschieden leben lernen" findest du dich nicht nur mit den Gegebenheiten ab, sondern verän­derst  deine innere Einstellung zu einem strit­tigen Punkt.

6. Die Beziehung verändern

Wenn du das Verhalten einer dir nahe stehenden Person nicht zu deiner Zufriedenheit beein­flussen kannst und es dich weiterhin irritiert, bleibt schließlich noch die Möglichkeit, die Beziehung zu verändern durch mehr räumliche Distanz, seltenere Kontakte oder eine Trennung.

Beispiele:

  • Dein Partner verbringt sehr viel Zeit mit einem Hobby, das dich nicht inter­es­siert. Ihr geht mehr und mehr getrennte Wege.
  • Deine Eltern machen dir bei jedem Besuch Vorhaltungen über deinen Lebensstil. Du besuchst sie nicht mehr so häufig.
  • Du hast mit einem Freund immer wieder anstren­gende Diskussionen und ihr entdeckt, dass ihr euch ausein­ander entwi­ckelt habt. Ihr trefft euch nicht mehr.

An den Beispielen wird deutlich, dass Wert- und Bedürfniskonflikte oft eng verzahnt sind und sich nicht eindeutig trennen lassen. Wenn die Wertvorstellungen immer mehr ausein­ander gehen, wird in einer Begegnung auch das Bedürfnis nach Kommunikation und Nähe nicht mehr erfüllt.

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