Wie dir einfühlsames Zuhören in einem Konfliktgespräch hilft

Einfühlsames Zuhören in Konfliktgesprächen

Ein Konfliktgespräch ohne einfühlsames Zuhören wird nicht erfolgreich sein

Typisch für ein Konfliktgespräch ist, dass in solchen Momenten das einfühlsame Zuhören zu kurz kommt. Man könnte sogar sagen, Streiten und gleich­zeitig Hinhören auf das, was der andere sagt, schließen sich aus. Doch gerade wenn sich zwei uneins sind ist die Bereitschaft zum einfühl­samen Zuhören entscheidend, um mitein­ander einen Konflikt lösen zu können.

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der Blog-​Parade meiner geschätzten Blogger-​Kollegin Veronika Kryztner zum Thema Zuhören. Du kannst dir hierzu auch ein kosten­freies eBook mit allen Blog-​Beiträgen herunterladen.

Ich möchte in diesem Beitrag einen beson­deren Aspekt des Zuhörens hervor­heben, nämlich das einfühlsame Zuhören in einem Konfliktgespräch.

In Konfliktsituationen geht es norma­ler­weise heiß her. Ein Wort gibt das andere. Jeder möchte Recht behalten. Es fällt schwer, dem anderen zuzuhören, weil jeder auf den eigenen Standpunkt fixiert ist und den anderen überzeugen möchte. So fehlt oft die Bereitschaft, hinzu­hören was der Konfliktpartner sagt. Und selbst wenn wir hinhören, fahren wir sofort Gegenargumente auf. Das ist ja das Merkmal eines Konflikts, dass wir uns uneinig sind und etwas borniert auf unsere Sichtweise beharren.

Beispiel eines Schlagabtausches: Die Verspätung

Mara und Harry sind ein Paar. Harry hat versprochen, spätestens um sieben am Abend zu Hause zu sein, um die Betreuung der Kinder zu übernehmen.

Mara: Jetzt ist es schon fast halbacht. Um sieben wolltest du da sein. Ich sitze hier schon auf Kohlen. Du weißt doch, dass ich einen Abendtermin habe.

Harry: Ja, ich weiß schon. Es gab halt wieder einen furcht­baren Stau. Der hat mich eine halbe Stunde festgehalten.

Mara: Dann musst du eben früher aus dem Büro gehen. Dass es einen Stau gibt um diese Zeit, weißt du doch.

Harry: Du hast leicht reden. Dich ich kann nicht einfach abhauen, wann ich will. Gerade gegen Abend fällt meinem Chef oft noch Dringendes, das er mit mir besprechen will.

Mara: Dann sag ihm, dass du gehen musst.

Harry: Das geht nicht. Wie stellst du dir das vor! Du hast gar keine Ahnung wie es bei uns zugeht.

Mara: Ob ich pünktlich zu meinem Termin komme, das ist dir scheißegal!

In Konfliktsituationen sinkt die Bereitschaft zum Zuhören und das Verständnis für den anderen gegen Null. Das Streitgespräch wird zu einem emotional aufge­la­denen Schlagabtausch. Lösungen sind nicht in Sicht.

Nur wenn du bereit bist, auch die Sichtweisen und Bedürfnisse des Konfliktpartners zu verstehen, wird sich etwas bewegen im Gespräch. Wie könnte das Gespräch also anders laufen?

Positiv-​Beispiel: Die Verspätung

Mara: Jetzt ist es schon fast halbacht. Um sieben wolltest du da sein. Ich sitze hier schon auf Kohlen. Du weißt doch, dass ich einen Abendtermin habe.

Harry: Du bist enttäuscht, weil ich erst jetzt komme. Es gab mal wieder einen furcht­baren Stau.

Mara: Dann musst du eben früher aus dem Büro gehen. Dass es einen Stau gibt um diese Zeit, weißt du doch. Es ist ewig das Gleiche mit dir.

Harry: Du erwartest, dass ich den Stau schon mitein­kal­ku­liere. Du hast Recht, ich müsste früher losfahren, doch ich kann nicht einfach abhauen, wann ich will. Gerade gegen Abend gibt es oft Hektik oder mein Chef hat noch dringende Dinge zu besprechen.

Mara: Dann sag ihm, dass du gehen musst.

Harry: Du möchtest gern, dass ich mich mehr bemühe. – Das ist oft nicht so einfach, sich da loszueisen.

Mara: Kann schon sein, doch ich will mich darauf verlassen können, dass du um sieben da bist. Mir ist mein Abendtermin wirklich wichtig. Ich möchte nicht zu spät kommen.

Harry: Okay, ich werde künftig schauen, dass ich pünktlich da bin.

Im ersten Beispiel war die Argumentation von beiden noch von Anschuldigungen und Entschuldigungen geprägt. Im zweiten Beispiel hat Harry innerlich umgeschwenkt und mit Einfühlung reagiert. Das Gespräch verlief wesentlich entspannter.

An dieser Stelle höre ich oft den Einwand: „Aber das hört sich doch ganz künstlich an. So spricht doch niemand!“

Im wirklichen Leben brauchst du nicht nach jedem Satz deines Konfliktpartners einfühlsam zu reagieren. Oft reicht ein gelegent­liches „Umswitchen“ in die einfühlsame Haltung. Dein Konfliktpartner kann entspannen, wenn er oder sie sich verstanden fühlt, und braucht nicht mehr vehement die eigene Position zu vertei­digen. Du kommst dem andern ein Stück entgegen und dein Gegenüber kann innerlich loslassen.

Das Aikido der Kommunikation

Einfühlsames Zuhören ist ein bisschen wie Aikido. Nun kenne ich mich mit Aikido nicht sonderlich aus. Bei Aufführungen japani­scher Kampfkünste hast du sicher schon gesehen, dass es dort darum geht, nicht gegen jemanden anzukämpfen. Eleganter ist es, mit der Energie des anderen mitzu­gehen und sie umzuleiten. Ähnlich ist es auf der verbalen Ebene einer Auseinandersetzung. Du kämpfst nicht gegen die Argumentation deines Konfliktpartners an. Stattdessen hilfst du ihm, sein hinter seiner Position stehendes Bedürfnis zu entdecken. Dadurch entsteht eine tiefere Verbindung zwischen euch.

Positiv-​Beispiel: Überstunden abbummeln

Diese Situation hat mir eine Seminarteilnehmerin, nennen wir sie Sabine, beschrieben. Allerdings kannte sie da noch nicht das einfühlsame Zuhören. Sie beschrieb, was ihr Chef sagte, als sie ihn daran erinnerte, sie würde am nächsten Tag einen freien Tag nehmen, um angesam­melte Überstunden abzubauen – „abzubummeln“, wie das im Bürojargon heißt. Er sagt:

Wie kommt man bloß zu so vielen Überstunden? Sie horten wohl Stunden.

Sabine sagte, sie wäre völlig perplex gewesen über diese Anschuldigung und wusste nicht, was sie erwidern sollte. So haben wir im Seminar mal durch­ge­spielt, wie sie hier das einfühlsame Zuhören einsetzen könnte. Sie könnte antworten:

Sie wundern sich, wie ich zu den vielen Überstunden komme.

Ihr Chef misstrauisch:

Ja, Sie gehen doch meist schon um fünf. Ich weiß gar nicht, woher Sie die ganzen Überstunden haben.

An dieser Stelle gehen wir mal davon aus, dass der Chef nicht wirklich daran inter­es­siert ist, dass ihm jetzt die Überstunden belegt werden. Deshalb sollte sich Sabine nicht aus der Ruhe bringen lassen und einfach weiter einfühlsam reagieren:

Sie hören sich ganz skeptisch an.

Sie könnte erläu­ternd hinzufügen:

Ich morgens immer um halb acht hier. Da sind Sie noch gar nicht da.

Diese gelassene Reaktion könnte bewirken, dass der Chef von seinen Vorwürfen ablässt. Er sagt:

Ach, ich würde auch gern mal ein paar Tage freinehmen. Aber die Arbeit erschlägt mich.

Sabine bleibt am besten weiter in ihrer einfühl­samen Haltung:

Ich habe den Eindruck, eigentlich beneiden Sie mich etwas.

Der Chef öffnet sich noch mehr:

Ja, wirklich. Das kann man so sagen. Wenn ich diese Stöße von Akten sehe, wünschte ich mir manchmal, ich hätte mir einen einfa­cheren Job ausge­sucht. Aber gehen Sie jetzt. Ich will Sie nicht aufhalten. Einen schönen Tag morgen.

An diesem – konstru­iertem – Beispiel wird deutlich, dass der anfäng­liche massive Vorwurf eher Ausdruck einer eigenen Unzufriedenheit ist. Durch die gelassene Reaktion von Sabine und ihre Fähigkeit, einfühlsam zu reagieren statt sich zu vertei­digen, bekommt die anfäng­liche Vorwurfshaltung des Chefs keine neue Nahrung. Statt dessen fängt er an, etwas von seiner Frustration durch die Arbeitsüberlastung zu offenbaren.

Keine meiner Seminarteilnehmerinnen konnte sich vorstellen, als angegriffene Mitarbeiterin so gelassen zu reagieren. Viele sagten, sie würden sich in dieser Situation zu recht­fer­tigen versuchen oder sehr ärgerlich werden. Das Beispiel zeigt:

Auch Situationen, in denen du scheinbar Opfer bist, kannst du verändern, wenn du dich in die Bedürfnisse deines Gegenübers einfühlst.

Wenn du gerade mit jemanden in einem Konfliktgespräch bist und die andere Person dich mit Du-​Botschaften traktiert, ist es eine besondere Herausforderung, einfühlsam zuzuhören. Du musst deinen eigenen Ärger kontrol­lieren. Gleichzeitig bist du gefordert, die Bedürfnisse des anderen zu erkennen und in eigenen Worten auszu­drücken. Das ist wahrlich nicht leicht. Also üben, üben, üben!

Beim einfühl­samen Zuhören achtest du dein Gegenüber in seinem Erleben und seiner Sicht der Dinge. Du wider­sprichst nicht und beschwich­tigst nicht. Stattdessen bemühst du dich um ein tieferes Verständnis der Gefühle und Bedürfnisse deines Gegenübers.
Selbst vorwurfs­volle, aggressive oder indirekte Aussagen versuchst du wohlwollend zu übersetzen in freund­li­chere Worte.

Darauf kommt es an beim einfühlsamen Zuhören

  • Überhöre das Kränkende und Aggressive in den Äußerungen deines Konfliktpartners und richte dein inneres Ohr auf die nicht ausge­drückten Bedürfnisse. Dein Gegenüber sagt zum Beispiel:
    „Ich habe genug von den endlosen Diskussionen. Da kommt ja doch nichts dabei heraus.“
  • Versuche diese Bedürfnisse in eigenen Worten zu spiegeln. Das darf gern kurz und knackig sein:
    „Dir reicht’s jetzt! Du brauchst erstmal eine Pause.“
  • Formuliere positiv und lösungs­fo­kus­siert um.
    Nicht: „Du bist enttäuscht von der Diskussion.“ Besser: „Du möchtest, dass wir eine Entscheidung treffen.“ ‑ „…dass wir Nägel mit Köpfen machen.“
  • Verwende Satzanfänge, die auf die Bedürfnisse hinführen: „Du wünscht dir…“ – „Du möchtest gern…“ – „Dir ist wichtig…“
    Die meisten Menschen reagieren freudig, wenn ihre Bedürfnisse erkannt und anerkannt werden. Das das Konfliktgespräch voran.
  • Manchmal ist es hilfreich, statt dem Bedürfnis das Gefühl deines Konfliktpartners auszudrücken:
    „Du bist enttäuscht, weil wir jetzt schon so lange darüber disku­tieren und zu keiner Entscheidung kommen.“
    „Du bist sauer, dass wir nicht vorankommen.“
    Sei auf einen Einspruch deines Gegenübers gefasst, falls er sich nicht richtig verstanden fühlt. Dann korri­giere einfach.
  • Formuliere kurz und prägnant. Es geht nicht darum, viele Worte zu machen, sondern den Kernpunkt zu treffen:
    „Du willst heute mit einem Ergebnis nach Hause gehen.“
  • Wenn dein Gegenüber nickt oder mit einem „Ja, genau!“ zustimmt, bist du auf dem richtigen Weg. Jemand, der sich gehört, verstanden und akzep­tiert fühlt, öffnet sich leichter auch für deine Bedürfnisse. Das wäre dann ein guter Zeitpunkt, „umzuschalten“ und dein Anliegen wieder mit ins Spiel bringen. Wie das geht, erfährst du hier: Ein faires Konfliktgespräch führen

Beispiele: Du-​Botschaften übersetzen

Du-​Botschaft einer Kollegin:
„Du machst aber wirklich aus jeder Mücke einen Elefanten.“

Deine einfühlsame Reaktion:
„Du wünschst dir, dass ich die Sache gelas­sener angehe.“

Am Ende einer frucht­losen Diskussion sagt dein Gegenüber:
„Mit dir kann man nicht disku­tieren, denn du willst immer Recht behalten.“
Deine einfühlsame Reaktion:
„Du möchtest gern, dass ich mehr hinhöre, wie du die Sache siehst.“

Ihr Chef begut­achtet skeptisch den von dir aufge­bauten Messestand und sagt:
„Das habe ich mir schon gedacht, dass Sie das noch nicht können.“
Deine Antwort:
„Sie sind überrascht, weil Sie das bisher anders gewohnt sind. Ich möchte Ihnen gern erklären, was ich mir dabei gedacht habe.“

Um auf unfreund­liche Botschaften so souverän reagieren zu können, braucht es natürlich einiges an innerer Vorbereitung und viel Übung. Deshalb nutze alle Gelegenheiten, unfreund­liche Bemerkungen wohlwollend zu „übersetzen“.

Bedenke: Deine Einfühlung in den anderen ist nur ein Baustein in einem Konfliktgespräch. Der zweite wichtige Baustein sind deine Ich-​Aussagen. Wie das geht, erfährst du hier: Ein faires Konfliktgespräch führen


Ich freue mich über deinen Kommentar und wenn du diesen Artikel weiter empfiehlst.

2 Kommentare
  1. Veronika Krytzner sagte:

    Liebe Karin
    herzlichen Dank für Deinen Beitrag voller Tipps und prakti­schen Beispielen für meine Blogparade. Das einfühlsame Zuhören ist eine sehr schöne Technik – doch manchmal schwierig einzu­halten. Gerade in engen Bindungen haben Gespräche oft eine eigene Dynamik – diese zu unter­brechen und sich nicht schnell persönlich angegriffen zu fühlen, erfordert ein hohes Maß an Selbstkontrolle und guter Eigenwahrnehmung.
    Von Herzen liebe Grüße
    Veronika

    Antworten
    • Karin Mager sagte:

      Liebe Veronika,
      ich danke dir für die schöne Idee, eine Blogparade zum Thema Zuhören zu machen.
      Einfühlsames Zuhören sehe ich weniger als eine Technik an, sondern als eine innere Haltung, in der ich bereit bin, die Sichtweise des anderen an mich heran kommen zu lassen. Das erfordert tatsächlich Selbstkontrolle, denn wir sind eher im Modus, wider­sprechen zu wollen, wenn wir mit jemanden einen Konflikt haben. Doch in meinen Seminaren erlebe ich immer wieder, wie angetan die Teilnehmer von dieser Möglichkeit sind, anders zu reagieren. Den die Wirkung ist einfach erstaunlich. Ein Gespräch wandelt sich, wenn ich mich innerlich auf die Bedürfnisse des anderen einlasse und sie sogar selbst zu entdecken und auszu­drücken versuche. Alle sagen, dass sie das unbedingt lernen wollen.
      Dir auch ganz liebe Grüße
      Karin

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