Weshalb du Bedürfnis- und Wertkonflikte unterscheiden solltest

Bedürfnis- und Wertkonflikte unterscheiden

Zum Lösen von Bedürfnis- und Wertkonflikten brauchst du verschiedene Strategien

Wenn du Bedürfnis–  und Wertkonflikte unter­scheiden kannst, ersparst du dir endlose Streitgespräche und kommst schneller auf den Punkt. Denn einen Bedürfniskonflikt kannst du nicht auf die gleiche Weise behandeln wie einen Wertkonflikt.

Zwischen zwei Menschen, die sich nahestehen, egal ob als Paar, in einer Familie oder am Arbeitsplatz, gibt es sehr häufig verschiedene Bedürfnisse und Wertvorstellungen. Das ist zunächst kein Problem. Laura ist Vegetarierin und Henno isst gern Fleisch. Ein Konflikt besteht dann, wenn Laura von Henno erwartet, dass er künftig auch auf Fleisch verzichtet. Sie erwartet von ihm eine Verhaltensänderung mit Rücksichtnahme auf ihre Wertvorstellung. Ist das nun ein Bedürfniskonflikt oder ein Wertkonflikt?

Schauen wir uns das genauer an:

Was ist ein Bedürfniskonflikt?

Bei einem Bedürfniskonflikt wirst du durch das Verhalten einer anderen Person unmit­telbar in der Befriedigung deines Bedürfnisses beeinträchtigt.

Wird Laura – siehe obiges Beispiel – daran gehindert, sich vegeta­risch zu ernähren, selbst wenn Henno weiterhin Fleisch isst? Eigentlich nicht.

Beispiele für Bedürfniskonflikte:

  1. Ein Paar plant seinen Urlaub. Jana möchte gern all inclusive ins Hotel, um sich mal so richtig verwöhnen zu lassen. Ihr Mann Sepp möchte lieber Urlaub auf dem Campingplatz machen, weil er gern draußen in der Natur ist.
  2. Sabines Kollege vergisst des öfteren, ihr wichtige Informationen weiter­zu­geben. Sabine ist dadurch oft nicht über aktuelle Vorgänge auf dem Laufenden und ärgert sich.
  3. In einem ambulanten Pflegedienst gilt die Vereinbarung, das Dienstauto nicht mit leerem Tank abzustellen. Eine der Pflegerinnen hält sich nicht dran. Irene muss deshalb oft mit dem Wagen erst zum Tanken fahren und kommt in Zeitnot.
  • Zwei Personen haben zwar verschiedene Bedürfnisse, können aber das Bedürfnis des anderen – wenn auch manchmal wider­willig – nachvollziehen. 
  • Bedürfnisse kann man nur anerkennen. Sie stehen nicht zur Diskussion.
  • Bei einem Bedürfniskonflikt fällt es dir leicht, zu beschreiben wie die Situation sich für dich auswirkt, wenn dein Bedürfnis nicht erfüllt wird.

Hierzu nochmal Beispiel 1:

Jana beschreibt ihre Bedürfnisse:
Ich möchte im Urlaub mal nichts mit Hausarbeit zu tun haben, mich weder um Kochen, noch Essen einkaufen oder Abwasch kümmern müssen. Am liebsten würde ich mich morgens und abends mit einem üppigen Büffet verwöhnen lassen und mal alle Viere von mir strecken.

Sepp argumen­tiert:
Ich sitze tagein und aus im Büro. Im Urlaub möchte ich möglichst viel draußen in der Natur sein. Ich will die Vögel hören, morgens vom Zelt direkt in den See springen. Im Hotel fühle ich mich so abgeschnitten von der Umgebung. Außerdem kommt ein Campingurlaub viel billiger und wir können uns dann nochmal einen schönen Urlaub gönnen.

Bedürfnisse sind für den anderen nachvoll­ziehbar, selbst wenn jemand ein anderes Bedürfnis hat.

Auf Basis der Bedürfnisse zu argumen­tieren, ist im Konfliktgespräch ein großer Vorteil. Denn wenn du beschreiben kannst, welche Auswirkungen es für dich hat, wenn dein Bedürfnis nicht befriedigt wird, reagieren andere Menschen empathischer.

Dein Partner wird eher bereit sein, auf deine Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen, wenn du ihm keine Vorwürfe machst, weil er andere Bedürfnisse hat.

Wie du Schritt für Schritt bei einem Bedürfniskonflikt vorgehst, erfährst du hier: Ein faires Konfliktgespräch führen

Was ist ein Wertkonflikt?

Das Verhalten des anderen beein­trächtigt dich nicht, deine Bedürfnisse zu befrie­digen. Trotzdem möchtest du das Verhalten der anderen Person beein­flussen, denn ihr Verhalten entspricht nicht deinen Wertvorstellungen. Du möchtest, dass sie sich entspre­chend deiner Wertvorstellung verhält.

Nochmal zum Beispiel mit Laura und Henno: Laura isst bewusst kein Fleisch, weil sie gegen die Praktiken der Massentierhaltung ist. Sie möchte, dass Henno sich ihren Wertvorstellungen anschließt und aus ethischen Gründen ebenfalls seinen Fleischkonsum reduziert. Es dreht sich hier eindeutig um einen Wertkonflikt.

Anders wäre die Situation, wenn Laura der Meinung wäre, dass der Kauf von Fleisch ihr knappes gemein­sames Haushaltsbudget zu sehr belastet. Dann wäre es ganz klar ein Bedürfniskonflikt.

Beispiele für Wertkonflikte:

  1. Johannas Mann achtet nach ihrer Meinung zu wenig auf seine Gesundheit. Sie möchten ihn dazu bewegen, sich gesünder zu ernähren und sich mehr sportlich zu betätigen.
  2. Das Zimmer von Richards 14-​jährigem Sohn ist ein einziges Chaos. Richard möchte, dass er es aufräumt [ein häufiges Thema in Familien].
  3. Luises Kollege schert sich nicht um Mülltrennung. Er wirft alles in den Papierkorb. Die Mülltrennung ist nicht Luises Verantwortung, auch wenn sie so viel Ignoranz empört.

Wertkonflikte erkennst du daran, dass du auf deine Appelle abwei­sende Antworten bekommst wie diese:

- Lass mich in Frieden. Kümmer dich um deine Angelegenheiten.
- Das ist meine Sache. Misch dich nicht ein.
- Das geht dich nichts an. Ich mach das wie ich will.

Dein Gegenüber weist dein Ansinnen entschieden zurück und ärgert sich über die Einmischung in seinen persön­lichen Bereich. In der Auseinandersetzung zwischen den Generationen (Großeltern, Eltern und Jugendliche) sind Wertkonflikte an der Tagesordnung.

In meinen Seminaren führten ganz Gewitzte folgende Argumente an:

- Es ist mir ein großes Bedürfnis, dass mein Mann sich mehr bewegt und sich gesünder ernährt.
- Ich habe das Bedürfnis, dass mein Sohn endlich seinen Saustall aufräumt.

Sie erklärten ihre Wertvorstellung als Bedürfnis. Doch mit dieser Art von Begründung wirst du wenig Erfolg haben.

Bei einem echten Bedürfnis ist dein Gegenüber – sofern er kein totaler Sturkopf ist – bereit, sich einzu­fühlen und Rücksicht zu nehmen.

Mischt du dich jedoch in die Angelegenheit von jemanden ein, erfolgt oft eine Zurückweisung.

Typisch für Wertkonflikte ist:
Dein Gegenüber beansprucht, seine Angelegenheit selbst entscheiden zu wollen und erkennt dein (Schein)Bedürfnis nicht an.

Du ersparst dir viel Frustration, wenn du nicht versuchst, einen Wertkonflikt wie einen Bedürfniskonflikt zu behandeln. Wertkonflikte müssen anders angegangen werden.

Siehe hierzu: Bedürfnisse in Konfliktsituationen – wieso es wichtig ist, sie auszudrücken

Hier erfährst du, was du tun kannst: 6 Wege zum Umgang mit Wertkonflikten


Ich freue mich über deinen Kommentar.

7 Kommentare
  1. Jessica sagte:

    Ich brenne darauf,genau das zu erfahren. Mein Partner und ich haben völlig unter­schied­liche Sozialisationen genossen. Er ist ein Leistungsmensch, gönnt sich nur selten Auszeiten, während ich emotionale und durchaus auch spiri­tuelle Wegweiser in meinem Leben verorte. Zwischen uns bedeutet das keinen wirklichen Konflikt. Meine Freunde jedoch werden für ihr Handeln, in dem ich deutlich auch meine Leitmotive sehe, von meinem Partner verur­teilt und erbar­mungs­los­be­wertet, bzw. abgewertet.
    Ich bin ratlos, wie ich damit umgehen kann.

    Antworten
    • Karin Mager sagte:

      Hallo Jessica,
      es gibt hier jetzt endlich einen Artikel zum Umgang mit Wertkonflikten. Schau doch mal, ob er dir weiterhilft.

    • Karin Mager sagte:

      Dein Feedback freut mich. Und du erfährst in meinem Blog ja auch, wie du mit den unter­schied­lichen Konfliktarten umgehen kannst.

  2. Marie-Luise Moritz sagte:

    Danke für die klare und unver­krampfte Ausdrucksweise. Das hilft mir wirklich, beides zu unter­scheiden und nachzu­denken, worum es mir geht. Gute Art, damit umzugehen.

    Antworten

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