Ein faires Konfliktgespräch führen

Ein faires Konfliktgespräch führen

So führst du ein Konfliktgespräch souverän zu einer Lösung

Vielen Menschen ist nicht klar, wann etwas ein Konflikt ist, der aktiv angegangen werden sollte. Manchmal genügt es ja, bei Meinungsverschiedenheiten einfach die verschie­denen Sichtweisen anzuer­kennen und die Diskussion an diesem Punkt zu beenden.

Folgende Merkmale kennzeichnen einen Streit, bei dem ein klärendes Konfliktgespräch angebracht ist.

  • Erstens: Es bestehen unter­schied­liche Ansichten, die auf euer Miteinander konkrete Auswirkungen haben.
  • Zweitens: Du hast schon Versuche unter­nommen, das Verhalten deines Gegenübers zu beein­flussen. Zum Beispiel könntest du einen Wunsch geäußert haben:
    Ich möchte gern, dass du die Zeitung wegräumst, wenn du sie gelesen hast.
    Doch der andere hat darauf nicht reagiert.
  • Du kommst zum Schluss, dass du entschie­dener vorgehen musst, um eine Veränderung zu erreichen.

In diesem Beitrag geht es um die Lösung von Bedürfniskonflikten. Die Unterscheidung ist wichtig, weil du bei einem Bedürfniskonflikt anders vorgehen musst als bei einem Wertkonflikt.

Solltest du den Unterschied noch nicht kennen, lies bitte zuerst diesen Beitrag:
Weshalb du Bedürfnis- und Wertkonflikte unter­scheiden solltest

Wie du Wertkonflikten umgehen kannst, erfährst du hier:
6 Wege zum Umgang mit Wertkonflikten

Zuerst zeige ich in einem Live-​Beispiel aus einem meiner Seminare, wie Menschen häufig Konflikte zu lösen versuchen:

Negativ-​Beispiel eines Konfliktgesprächs

Klaus und Sabine teilen sich ein Büro. Beide müssen häufig telefo­nieren. Klaus spricht dabei mit sehr lauter Stimme, so dass Sabine ihre Gesprächspartnern kaum versteht. Sie sagt deshalb während eines Telefonats zu Klaus:

Würdest du bitte leiser sprechen, denn ich kann meinen Gesprächspartner am Telefon nicht verstehen.

Klaus spricht etwas leiser. Nachdem beide ihre Telefonate beendet haben, sagt er:
Wenn ich telefo­niere, möchte ich von dir nicht unter­brochen werden. Und außerdem rede ich ganz normal.

Sabine: Aber so geht es doch nicht! Wie soll ich denn telefo­nieren, wenn du so laut schreist, dass ich den anderen nicht mehr verstehe.

Klaus verärgert: Das finde ich eine Unverschämtheit! So was muss ich mir nicht sagen lassen!

Sabine verteidigt sich: Ich habe das Gefühl, dir kann man überhaupt nichts sagen. Wieso sprichst du nicht einfach etwas leiser? Ich schreie ja auch nicht.

Klaus geht empört aus dem Raum.

Sabine ärgert sich ebenfalls, denn sie meint, sie habe sich doch freundlich bemüht, das Problem zu lösen. Beide fühlen sich im Recht, doch die Situation ist eskaliert. Ein typischer Schlagabtausch!

Eskalationskurve in einem Konfliktgespräch

Eskalationskurve in einem Konfliktgespräch

Was ging hier schief?

  • Sabine hat das Gespräch ungeschickt gestartet. Sie meinte, einen Wunsch auszu­sprechen, doch für Klaus klang es wie eine Verhaltensanweisung:
    Würdest du bitte leiser sprechen,…
  • Sie formu­liert übertrieben:
    wenn du so laut schreist, dass ich den anderen nicht mehr verstehe.
  • Klaus fühlt sich abgewertet und reagiert verärgert:
    Das finde ich eine Unverschämtheit!
  • Sabine eskaliert:
    Ich habe das Gefühl, dir kann man überhaupt nichts sagen.
    Das ist keine Aussage über ein Gefühl, sondern eine Abwertung. Siehe hierzu:
    Drei Irrtümer im Umgang mit Gefühlen
  • Sabine legt nochmal nach: "Ich schreie ja auch nicht."
  • Das Gespräch ist gescheitert und Klaus geht wütend aus dem Raum.

In der Nachbesprechung des Rollenspiels zeigte sich: Sabine war sich ihres abwer­tenden Tons nicht bewusst. Sie meinte, sie hätte das Problem freundlich angesprochen.
Siehe hierzu: Abwertungen, der Zündstoff im Konfliktgespräch

Klaus hat natürlich auch das Seine zum Scheitern des Gesprächs beigetragen. Doch in diesem Konfliktbewältigungs-​Leitfaden möchte ich zeigen, wie du das Gespräch konstruktiv steuern kannst. Eigentlich wollen die meisten Menschen Konflikte friedlich regeln, doch sie wissen nicht wie. Geht es dir genauso?

Leitfaden für ein konstruktives Konfliktgespräch

Vorab eine Warnung: Den folgenden Leitfaden wirst du in einem realen Gespräch so nicht umsetzen können. Konflikte haben ihre eigene Dynamik. Doch es genügt schon, einige Punkte zu beachten, damit das Gespräch erfolg­reich verläuft.

Beginne ein Konfliktgespräch nicht mit einem Lösungsvorschlag

Viele Menschen beginnen ein Konfliktgespräch mit einer Bitte oder einer Aufforderung – man kann es auch einen "Lösungsvorschlag" nennen. In den Ohren ihrer Konfliktpartnerin klingt das oft wie eine Verhaltensanweisung:

Kannst du bitte leiser sprechen.
Räume endlich deine Sachen weg.
Bitte infor­mieren Sie mich künftig sofort.
Komm bitte pünktlich zur Besprechung.

Viele Menschen fühlen sich gerügt und gehen in Abwehrhaltung. Schon seid ihr in einem negativen Fahrwasser. Erfolgversprechender ist folgendes Vorgehen:

Starte mit einer konfrontierenden Ich-​Aussage:

Beschreibe das störende Verhalten/​das Problem, ohne den anderen abzuwerten.
Wie wirkt sich das Problem für dich aus?
Welches Gefühl hast du im Moment?

Mehr dazu hier: Starte ein wirksames Konfliktgespräch mit 3 Punkten

Beispiel 1:
Wenn du beim Telefonieren so laut sprichst, kann ich mich nur schwer auf meine Arbeit konzen­trieren. Ich bin genervt.

Beispiel 2:
Du kommst häufig später zu Besprechungen und bekommst nicht mit, was wir zu Beginn besprochen haben. Ich muss das dann nochmal sagen und das kostet zusätzlich Zeit. Mich nervt das.

Verzichte auf Gegenargumente, sondern fühle dich in die Sichtweise deines Konfliktpartners ein

Sehr oft wird dein Konfliktpartner sich auf deine konfron­tie­rende Ich-​Aussage hin rechtfertigen:

Ich rede ganz normal.
oder
Ich muss so laut reden, sonst versteht mich der andere nicht.

Die große Herausforderung in einem Konfliktgespräch besteht darin, nicht mit Gegenargumenten zu reagieren.

Viel klüger ist es nämlich, wenn du auf unfreund­liche oder gar aggressive Äußerungen nicht inhaltlich eingehst, sondern sie einfach so stehen lässt.

Indem du auf abweh­rende und für das Konfliktgespräch nicht förder­liche Argumente deiner Konfliktpartnerin mit eigenen Argumenten reagierst, verstärkst du sie. Du gibst ihnen deine Aufmerksamkeit.

Zusätzlich besteht die Gefahr, von deinem eigent­lichen Anliegen abgelenkt zu werden.

Nicht mit Gegenargumenten zu reagieren wird ungeübten Streitern am Anfang  Überwindung kosten. Wer würde nicht gern Kontra geben? Doch damit heizt du den Konflikt nur an. Ihr geratet in ein destruk­tives Streitgespräch.

Klüger ist es, an solch kriti­schen Stellen innerlich auf Hinhören und Einfühlen umzuschalten.

Würdige die Argumente deines Konfliktpartners, indem du versuchst, sie wohlwollend in eigenen Worten zusammen zu fassen.

Als Antwort auf "Ich rede ganz normal", könntest du beispiels­weise sagen:

Du findest deine Stimme nicht laut. oder
Du kannst nicht verstehen, wieso deine Lautstärke ein Problem sein
sollte.

Du disku­tiert also nicht mit deinem Kollegen darüber, ob er normal laut spricht oder zu laut.

Du akzep­tierst seine Sichtweise. So braucht er sich auch nicht weiter zu vertei­digen. Das ist eine gute Basis für euer weiteres Gespräch.

Die ganz hohe Kunst in einem Konfliktgespräch ist:

Interpretiere wohlwollend die Aussagen deines Gegenübers und entschärfe seine Du-Botschaften

Die Du-​Botschaften deines Konfliktpartners sind wie Tretminen. Sobald du auf sie trittst, explo­diert das Gespräch. Du entschärfst sie, indem aus einer aggres­siven Du-​Botschaft heraus­hörst, was dein Gegenüber dir "eigentlich" sagen will und das wohlwollend zurück spiegelst. Nehmen wir unser Beispiel:

Klaus sagt gereizt:
Das finde ich eine Unverschämtheit! So was muss ich mir nicht sagen lassen!

Sabine hört seine Empörung und könnte besänf­tigend sagen:
Du findest meinen Ton unangebracht.

Um so reagieren zu können, musst du sich selbst in der Hitze der Auseinandersetzung innerlich etwas zurücknehmen.

Der Lohn der Selbstbeherrschung ist:

Das Gespräch bleibt in einem ruhigen Fahrwasser. Die Chance für eine konstruktive Lösung steigt erheblich.

Zurück zu unserem Beispiel.

Dein Fokus liegt auf deinem Bedürfnis und nicht auf dem (Fehl)Verhalten deines Konfliktpartners

Dein Bedürfnis ist, in Ruhe arbeiten und telefo­nieren zu können, ohne durch die Telefonate des Kollegen gestört zu werden. Es geht also nicht darum, dem Kollegen zu sagen: "Du telefo­nierst zu laut."
Würde er allein in einem Büro sitzen, kann seine Lautstärke ja ganz angemessen sein.

Statt: Du redest zu laut, sagst du deshalb besser:
Ich möchte in Ruhe arbeiten können.

Lass die Lösung von deinem Konfliktpartner kommen

Lass deinen Konfliktpartner selbst Ideen entwi­ckeln, wie er mit dem Problem umgehen könnte. Seine Lösungen funktio­nieren meistens besser, weil sie ja von ihm kommen.

Du "drängst" ihn, sich eine Lösung zu überlegen, indem du immer wieder auf dein Bedürfnis hinweist. Sag ihm, wie sich das Problem für dich darstellt. Sprich darüber, wie du dich beein­trächtigt fühlst:

Ich kann mich nicht auf meine Arbeit konzen­trieren, während du telefo­nierst, weil du dann automa­tisch lauter sprichst.

Finde Umschreibungen, die dein Gegenüber nicht als Abwertung erlebt.

Sprich in Ich-​Aussagen und verdeut­liche es anhand eines konkreten Beispiels:

Ich brauche mehr Ruhe für meine Arbeit.
Ich habe Mühe, meinen Gesprächspartner zu verstehen, wenn wir beide gleich­zeitig telefonieren.

Halte das Gespräch am Laufen bis dein Konfliktpartner Lösungsvorschläge macht

Schalte bei abweh­renden Äußerungen immer wieder um auf Einfühlung. Dann komm wieder auf dein Anliegen zurück. Was brauchst du, damit du dich wohl fühlst?

Verlaufskurve eines konstruktiven Konfliktgesprächs

(Ideal)Verlauf eines konstruk­tiven Konfliktgesprächs

Dieses Wechselspiel von Gegenargumenten oder sogar Vorwürfen deines Konfliktpartners und deine Einfühlung und erneute Ich-​Aussagen kann durchaus zwei drei Runden so laufen.

Wenn du, ohne dein Gegenüber abzuwerten. dein Bedürfnis vertrittst, kommt meist sehr bald ein Lösungsvorschlag von der anderen Person.

"Ich konnte gar nicht anders als einzu­lenken und einen Vorschlag zu machen," sagen dieje­nigen, die in einem Seminar-​Rollenspiel den abweh­renden Konfliktpartner gespielt haben.

Mach deine Bereitschaft zur Lösungsfindung deutlich, ohne aber schon eine Lösung einzubringen.

Was können wir da machen? – Wie können wir das lösen?
Ich möchte eine Lösung finden, mit der wir beide gut leben können.

Nur wenn gar keine Ideen von deinem Gegenüber kommen oder du direkt danach gefragt wirst, mach – vorsichtig – einen Vorschlag:

Was würdest du davon halten, wenn
…ich dir ein Zeichen gebe, wenn du beim Telefonieren laut wirst?
…du für längere Telefonate in den Meetingraum gehst?
…du längere Gespräche ankün­digst? Dann kann ich eigene Telefonate auf später verschieben.

Du bringst natürlich nur Lösungsvorschläge, wenn nichts vorangeht im Gespräch. Und sobald dein Konfliktpartner dagegen argumen­tiert, nimm dich zurück und frage ihn:

Was würde dir taugen?
Wie könnte es anders gehen?
Welche Idee hast du, wie wir das Problem lösen könnten?

Verhandle weiter, wenn sein Lösungsvorschlag (noch) nicht befriedigend ist

Deine Idee mit getrennten Büros wäre natürlich ideal, doch ich habe Bedenken, ob wir das bewilligt bekommen.

Also immer erst die Idee und die Lösungsbereitschaft anerkennen. Dann erst kommen deine Bedenken.

Du verstärkst den Lösungs-​Suchprozess, indem du weiterhin deine frustrie­rende Situation beschreibst und dein Bedürfnis ausdrückst:

Ich möchte gern mehr Ruhe haben, um mich auf meine Arbeit konzen­trieren zu können. Wenn du telefo­nierst, fällt mir das sehr schwer.

Schalte immer wieder um von Ich-​Aussagen auf einfühlsames Zuhören

Reagiere wohlwollend auf die Argumente deines Gegenübers, selbst wenn sie unfreundlich formu­liert sind. Es ist zwar sehr verlo­ckend, es garstigen Mitmenschen entspre­chend heimzuzahlen.

Doch sage dir: Aggressive Menschen haben Kommunikation halt so gelernt und können es nicht besser.

Wir können statt­dessen ein Beispiel geben, wie wir fairer und einfühl­samer mitein­ander reden können.

Mir gefällt sehr Michelle Obamas Ausspruch auf Donald Trumps äußerst aggres­sives Gebaren im ameri­ka­ni­schen Wahlkampf vor ein paar Jahren:

"When they go low, we go high"
(Frei übersetzt: Wenn die anderen ihr Niveau senken, heben wir unseres.)

Auf unser Thema übertragen:

Bleibe empathisch und konstruktiv, auch wenn dein Konfliktpartner sich abwertend und unfair verhält. Denn langfristig hast du damit mehr Chancen, den Konflikt zu lösen.

Hier zur Veranschaulichung ein Beispiel eines idealen Konfliktverlaufs, der real natürlich so nicht statt­finden wird. Es genügt schon, wenn du dich in einem Konfliktgespräch an einige Punkte erinnerst, wie du das Gespräch in konstruktive Bahnen lenken kannst.

Beispiel eines konstruktiven Konfliktgesprächs: Der laute Kollege

Der Kollege Schmidt telefo­niert sehr laut. Frau Weiner konfron­tiert ihn nach dem Gespräch:

Wenn Sie telefo­nieren, sprechen Sie in einer Lautstärke, dass ich Mühe habe, meinen Gesprächspartner am Telefon zu verstehen. Deshalb vermeide ich, zur gleichen Zeit wie Sie zu telefo­nieren. Doch manchmal werde ich auch angerufen, während Sie telefo­nieren und dann verstehe ich oft nicht, was der andere sagt.

Herr Schmidt: Ich weiß wirklich nicht, was Sie wollen. Ich spreche in einer ganz normalen Lautstärke.

Frau Weiner reagiert zuerst einfühlsam:
Sie können sich nicht vorstellen, dass Sie mich stören könnten, wenn Sie sprechen.
Nun wiederholt sie wieder ihre Ich-Aussage:
Ihnen mag Ihre Stimme ja ganz normal laut vorkommen, doch eben habe ich die Anruferin nicht verstanden und musste mehrmals nachfragen. Und das ist mir schon öfters so gegangen, wenn Sie zur gleichen Zeit telefonieren.

Er: Vielleicht hören Sie schlecht. Sie sollten mal Ihr Gehör prüfen lassen. Manchmal weiß man gar nicht, dass man schlecht hört.

Sie: Das ist mir bisher nicht aufge­fallen. – Ihnen fällt es schwer zu glauben, dass Ihre Stimme so mächtig ist, nicht wahr? Doch ich fühle mich von Ihren Telefonaten auch gestört, wenn ich nicht telefo­niere. Ich kann mich, während Sie telefo­nieren, nur schwer auf meine Arbeit konzen­trieren. Ich muss mich oft sehr bemühen, Ihre Gespräche auszublenden.

Er: Das ist das erste Mal, das sich jemand über meine laute Stimme beklagt. Und ich muss ja schließlich telefonieren!

Sie: Da haben wir ein richtiges Dilemma: Sie müssen telefo­nieren – und ich fühle mich gestört.

Frau Weiner vermeidet eine Zuspitzung, indem sie nicht Herrn Schmidt die Schuld zuschiebt, sondern das Problem neutral als Dilemma bezeichnet. So fällt es Herrn Schmidt auch leichter, ihr zuzustimmen.

Er: Ja, wirklich!

Frau Weiner stellt nochmal ihr Problem dar, um damit den Lösungs-​Suchprozess zu verstärken:

Ich möchte mich gern in Ruhe auf meine Arbeit konzen­trieren können. Und wenn ich telefo­niere, möchte ich die Person am anderen Ende verstehen können. Und das ist mir nicht möglich, wenn wir gleich­zeitig telefonieren.

Herr Schmidt macht einen Lösungsvorschlag:

Na gut, ich werde mich künftig bemühen, etwas leiser zu sprechen. Bitte geben Sie mir ein Handzeichen, wenn ich zu laut bin.

Sie: Vielen Dank, dass Sie bereit sind, mir entgegen zu kommen. Probieren wir aus, ob es so funktioniert.

Das Beispiel stammt aus meinem Buch "Bevor Sie aus der Haut fahren".

Häufige Einwände

In meinen Seminaren bekam ich an dieser Stelle häufig den Einwand zu hören:

Sind das nicht Spitzfindigkeiten?

Kommt es wirklich so sehr darauf an, was ich sage? Macht denn nicht viel mehr der Ton die Musik?

Das stimmt zum einen. Wenn deine Stimme sehr gereizt klingt, kommt das bei deiner Konfliktpartnerin als wichtigste Botschaft an. Da hilft es nur wenig, wenn du nicht anklagend sprichst. Der Tonfall hat mehr Wirkung als deine Aussage.

Doch achte bei künftigen Konfliktgesprächen mal darauf, ob du tatsächlich über dein unerfülltes Bedürfnis sprichst. Immer wenn du den Fokus auf das (Fehl)Verhalten der Konfliktpartnerin legst statt auf das, was du brauchst, um dich wohl zu fühlen, weckst du ihren Widerstand. Die andere Person verteidigt sich und ist nicht bereit, dir entgegen zu kommen. Um einen Konflikt zu lösen, brauchst du die Kooperationsbereitschaft deiner Konfliktpartnerin.

Nun höre ich schon den nächsten Einwand von dir:

Ja wieso muss ich denn auf alles achten?

Der andere kann sich doch auch bemühen.

Der Wunsch ist verständlich, doch in diesem Artikel wollte ich dir zeigen, wie du ein Konfliktgespräch steuern kannst, damit ihr mitein­ander eine Lösung findet.

Du "führst" in diesem Gespräch und hast es in der Hand, ob es konstruktiv verläuft oder in einem Schlagabtausch endet.

Bitte lies dazu auch die Kommentare unten, in denen ähnliche Einwände gebracht werden, und meine ausführ­lichen Antworten dazu.

Suche erneut das Gespräch

Du hast außerdem auch immer die Möglichkeit, erneut das Gespräch zu suchen, wenn es schief gelaufen ist und du dich im Ton vergriffen hast.

Du könntest dann zum Beispiel sagen:

Ich habe vorhin etwas gesagt, das ich gern korri­gieren möchte.
Aus meiner Wut heraus war ich wirklich ungerecht. Ich bitte dich um Verzeihung.
Ich habe jetzt verstanden, worum es dir geht. Du möchtest gern…
Ich habe nachge­dacht. Wie wäre es, wenn wir uns künftig eine Streitpause gönnen würden, wenn die Diskussion zu heftig wird?

Wir haben immer die Chance, dazu zu lernen, und neu zu beginnen.


Ich freue mich über deinen Kommentar und wenn du diesen Beitrag teilst.

10 Kommentare
  1. Ulla sagte:

    Wenn sie ihn freundlich gebeten hat bitte leiser zu reden hat sie nichts falsch kommu­ni­ziert. Und danach klingt es, Sie bittet ihn darum. Hier wird der Fokus auf Sabine gelegt, die es "ungeschickt" angestellt hat. Es ist kein Wunder dass der Kollege die Flucht ergriffen hat, sondern nur eine Abwehrreaktion von ihm nachdem die Situation eskalierte, weil er sich erst selber angegriffen fühlte. Zu verstehen, aber trotzdem seine Verantwortung dass er sich so angefallen fühlte von ihrer Bitte. Wenn er selber in Balance gewesen wäre hätte er nichts mehr gesagt und hätte höchstens sorry gesagt. Oder ihr gesagt dass er das selber nicht so empfunden hat. Und Sabine danke. Im Beruf so wie im Privatleben ist nichts verkehrt dran wenn man den anderen nett bittet auch wenn man verschie­dener Meinung ist. Es würde mich mal inter­es­sieren wie man zu solch einer Stellungnahme kommt. Dies ist keine profes­sio­nelle Auslegung des Stoffes.

    Antworten
  2. Karin Mager sagte:

    Hallo Ulla,
    ich danke dir sehr für deinen Kommentar. Ich finde ihn sehr hilfreich, weil mir so deutlich wird, wo ich noch etwas mehr erläutern muss.
    Du schreibst: "Im Beruf so wie im Privatleben ist nichts verkehrt dran wenn man den anderen nett bittet auch wenn man verschie­dener Meinung ist." – Da stimme ich dir voll zu. Wir können als erstes jemanden bitten, ein störendes Verhalten zu verändern. Tut die Person dann das, worum ich sie bitte, ist alles wunderbar. Doch was mache ich, wenn mein Gegenüber störrisch und aggressiv reagiert? Darum geht es in meinem Artikel.

    In diesem Fall ging es um ein Beispiel, das eine Kursteilnehmerin einge­bracht hat. Sie sagte:
    "Was kann ich bloß tun? Mein Kollege telefo­niert oft so laut, doch wenn ich ihn freundlich bitte, doch etwas leiser zu sprechen, fühlt er sich sofort angegriffen und wird wütend."

    Wir haben dann in einem Rollenspiel, bei dem ein anderer Kursteilnehmer die Rolle des Kollegen übernahm, durch­ge­spielt, wie sie mit dieser abweh­renden Reaktion umgehen kann. Deshalb der Fokus auf Sabine, da sie ja wissen wollte, wie sie sich anders verhalten kann.

    Ich finde dieses Beispiel sehr gut geeignet, weil es so typisch ist. So entstehen Konflikte:

    Du bemühst dich, den anderen freundlich anzusprechen, doch der andere reagiert nicht entspannt und entge­gen­kommend, sondern aggressiv. Das ist oft die Situation, mit der wir zurecht­kommen müssen. Wäre es anders, hätten wir kein Problem und müssten hier nicht darüber sprechen.

    Die Kunst besteht darin, auch mit den unfreund­lichen Reaktionen unseres Gegenübers souverän umgehen zu können, ohne dass die Situation eskaliert. Das ist das, was ich in dem Beispiel zeigen wollte.

    Antworten
    • Karin Mager sagte:

      Hallo Volker,
      ich drücke die Daumen für das bevor­ste­hende Gespräch und hoffe, meine Hinweise können helfen. Sollten Schwierigkeiten auftauchen, gehe ich gern darauf ein, denn konkrete Beispiele finde ich besonders hilfreich..

  3. Avlis sagte:

    Liebe Karin,
    vielen Dank für die hilfreichen Ideen. Sie erinnern mich sehr an die Grundlagen der gewalt­freien Kommunikation, deine Formulierungen sind aber Alltagssprache-​tauglicher. Und ich hab durch dein Beispiel eines konstruk­tiven Konfliktverlaufs jetzt endlich klar verstanden, dass eine abweh­rende Reaktion des anderen kein Zeichen für ein Scheitern ist, sondern normal. *seufz*
    Ich ziehe den Hut vor allen, die das durch­halten, ohne Groll dabei aufzu­bauen. Ich kann das derzeit noch nicht.
    Ich habe mit einer ähnlichen Gesprächstechnik tatsächlich bereits öfter erfolg­reich WinWin-​Lõsungen für den ursprüng­lichen Bedürfnis-​Konflikt herstellen können. Leider wurden dabei aber durch die Abwehr-​Versuche des anderen etliche viel wichtigere Bedürfnisse von mir missachtet: Wertschätzung, partner­schaft­licher Umgang, Respekt, um einige zu nennen. Um keinen Groll zurück zu behalten, müsste ich auch DAS wieder konfron­tieren und erneut durch diesen für mich sehr schmerz­haften Abwehrprozess, bis wir eine gemeinsame Basis dafür haben, BEIDE einfühlsam und wertschätzend mitein­ander zu reden. Puh!
    Selbst wenn ich immer wieder die Kraft und den Mut dazu aufbringe, tut das der Herr Schmidt? Wie oft hält er Gespräche über meinen Schmerz aus, weil ich ein freund­liches Miteinander brauche, um mich wohl zu fühlen? Und ein Team voller Herr Schmidts? Die verdrehen doch irgendwann genervt die Augen über das "Büro-​Sensibelchen" und schalten die Ohren auf Durchzug.
    Ich habe auf jeden Fall die schmerz­liche Erfahrung gemacht, dass ich allein keine wertschät­zende Kommunikation etablieren kann. Einer allein kann sie INSPIRIEREN – das ja – aber wenn nicht die Mehrheit im Team die neue Art der Kommunikation entschieden mit trägt und umlernt, sollte man gehen. Ich habe es allein versucht und bin daran ausge­brannt. Um das im Alleingang zu schaffen bräuchte man ein unerschüt­ter­liches Selbstwertgefühl. Oder extremen Optimismus und die Gabe alles Unerfreuliche schnell zu vergessen. Das hat nicht jeder von Natur aus.

    Antworten
    • Karin Mager sagte:

      Hallo Avlis,
      ich freue mich sehr über deinen ausführ­lichen Kommentar, weil ich dadurch erfahre, was meine LeserInnen beschäftigt. Ich möchte kurz auf ein paar Punkte eingehen. 

      1. Ja, mein Konzept hat viel mit der Gewaltfreien Kommunikation von Marshall Rosenberg gemeinsam. Ich kenne diese auch sehr gut und es wäre verlo­ckend gewesen, mich dieser großen Trainergemeinschaft anzuschließen. Doch ich finde das Konzept, das ich auf Basis des Kommunikationskonzepts von Thomas Gordon entwi­ckelt habe, sehr viel alltags-​tauglicher, wie du selbst auch feststellst. 

      2. Es ist leider so, auf – zuerst – abweh­rende Reaktionen des Konfliktpartners müssen wir immer gefasst sein. Und die wenigsten Menschen wissen, wie man klug damit umgeht. Gerade deshalb ist es so wichtig zu wissen, wie kann ich diese Abwehrreaktionen entschärfen, so dass es nicht zu einem Schlagabtausch kommt. Dazu müssen wir bewusst innerlich "umschalten" – weg davon, meinen Standpunkt zu behaupten, hin zu dem, was unser Gegenüber uns sagen will. Das heißt, ich lege den Fokus zuerst auf die Sichtweise des anderen und drücke das auch in einem kurzen Statement aus.
      Wie sieht mein Gegenüber die Angelegenheit? Dieses bewusste "Umschalten" ist das, worauf es ankommt. Das beobachte ich immer wieder auch bei mir. Spontan "halten wir eher dagegen" und versuchen, die Sichtweise des anderen zu wider­legen, statt uns auf den anderen einzustellen.

      3. "BEIDE einfühlsam und wertschätzend mitein­ander zu reden." Das ist tatsächlich ein hoher Anspruch. Nach meiner eigenen Erfahrung gelingt das nur mit Menschen, die schon eine Basisbereitschaft dafür mitbringen. Unsere Freunde und unseren Partner können wir vielleicht danach auswählen. Doch auch da werden wir immer wieder erfahren, dass sie oft nicht so einfühlsam und wertschätzend reagieren, wie wir uns das wünschen. Noch weniger können wir von unseren Nachbarn, Verwandten, Arbeitskollegen und Vorgesetzten diese Basisfähigkeiten erwarten.
      So können wir nur unser eigenes Unterscheidungsvermögen entwi­ckeln. Gibt es bei meinem Gegenüber Entwicklungspotential oder erlebe ich nur totale Abwehr? Und wie viel Energie bin ich bereit zu inves­tieren, um eine positive Beziehung zu entwi­ckeln? Manchmal ist eine Trennung und Distanzierung zu meinem Selbstschutz die klügere Entscheidung.

      4. "…wenn nicht die Mehrheit im Team die neue Art der Kommunikation entschieden mit trägt und umlernt, sollte man gehen."
      In meinen Kursen gab es immer wieder TeilnehmerInnen, die erkannten, dass sie an ihrem Arbeitsplatz auf verlo­renen Posten stehen. Eine rief mich ein halbes Jahr, nachdem sie bei mir im Kurs war, an und berichtete mir, wie glücklich sie darüber ist, dass sie nun ihren Arbeitsplatz gewechselt hat.
      Es braucht also nicht nur Wissen, wie man fair kommu­ni­ziert, sondern auch Mut, einem "giftigen" Klima Adieu zu sagen.

  4. Ulf M. sagte:

    Hallo Frau Mager.
    Ich habe soeben bei Medimops noch Ihre 2 Bücher erstanden und freue mich darauf :)
    Wir haben vor geraumer Zeit telefo­niert und ich schätze Ihre Mission!
    Herzliche Grüße

    Antworten
    • Karin Mager sagte:

      Hallo Ulf,
      ich freue mich über Ihren netten Kommentar. Ich sitze gerade an der Überarbeitung des zweiten Buchs. Ich nehme gern Feedback entgegen. Vielleicht kann ich es berücksichtigen.
      Herzliche Grüße

  5. Sarah sagte:

    Hallo Frau Mager,

    die Beispiele zum einfühl­samen Reflektieren (z.B. "Sie können sich nicht vorstellen, dass Sie mich stören könnten, wenn Sie sprechen.") empfinde ich als merkwürdig. Da kommt es mit Sicherheit sehr auf Mimik und Gestik und die Beziehung zuein­ander an – aber in dem konkreten Beispiel würde ich mich als Herr Schmidt ziemlich irritiert von so einer Aussage fühlen und auch ein wenig veräppelt. Oder ich fände, dass der andere mir zu nahe tritt. Ein impul­siver Mensch würde an dieser Stelle wahrscheinlich sogar sehr verärgert reagieren.
    Die Realitätskonfrontationen, die in dem Gespräch vorhanden sind, zumindest wenn sie offen und freundlich geäußert werden, reichen meiner Meinung nach völlig aus, um den Konflikt zu lösen. Der andere muss merken, dass ich ihn nicht persönlich angreifen will – sondern dass ich einfach nur eine Lösung für das Problem brauche.

    Viele Grüße!

    Antworten
    • Karin Mager sagte:

      Hallo Sarah,
      danke für dein Feedback. Ich finde deinen Einwand hilfreich, weil mir dadurch deutlich wird, wie andere Menschen meine Formulierungsvorschläge aufnehmen.
      Dieser Satz „Sie können sich nicht vorstellen, dass Sie mich stören könnten, wenn Sie sprechen.“ macht natürlich nur Sinn mit einem sanften Tonfall. Mit süffi­santer Miene gesprochen, als wenn ich mein Gegenüber entlarven wollte, wäre der Satz bestimmt nicht kommu­ni­ka­ti­ons­för­dernd. Deshalb stimme ich Ihnen zu:
      "Der andere muss merken, dass ich ihn nicht persönlich angreifen will – sondern dass ich einfach nur eine Lösung für das Problem brauche."

      Der Sinn bei diesem Satz ist, indem ich erstmal bei dem Bleiben, was mir der andere gesagt hat, bringe ich Entspannung in das Gespräch. Mein Gegenüber kann etwas durch­atmen. Erst dann beschreibe ich, wie es mir mit seinem Verhalten geht. 

      Bringen Sie das auf Ihre ganz persön­liche Weise zum Ausdruck. Mein Satz ist nur ein Vorschlag, denn in meinen Seminaren sagten die TeilnehmerInnen sehr oft: "Ich habe überhaupt keine Idee, was ich da jetzt sagen könnte." Deshalb bringe ich so viele Formulierungsbeispiele. Sagen Sie das auf Ihre Weise. Hauptsache, die andere Person merkt, dass Sie ihr gegenüber freundlich einge­stellt sind.

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