Bedürfnis- oder Wertkonflikt?

Bedürfnis- und Wertkonflikte unterscheiden

Zur Lösung eines Konflikts unterscheide zwischen Bedürfnis- oder Wertkonflikt

Um erfolg­reich einen Konflikt zu lösen, musst du als erstes für dich klären: Dreht es sich hier um einen Bedürfniskonflikt oder um einen Wertkonflikt? Denn einen Bedürfniskonflikt kannst du nicht auf die gleiche Weise behandeln wie einen Wertkonflikt. Du ersparst dir sinnlose Streitgespräche und kommst schneller auf den Punkt, wenn du dies als erstes für dich klärst.

Zwischen zwei Menschen, die sich nahestehen, egal ob als Paar, in einer Familie oder am Arbeitsplatz, gibt es immer wieder verschiedene Bedürfnisse und Wertvorstellungen. Das ist zunächst kein Problem. Sobald du von deinem Partner eine Verhaltensänderung verlangst, solltest du genau hinschauen, ist es ein Bedürfnis- oder ein Wertkonflikt.

Beispiele für Bedürfniskonflikte:

  1. Jana und Sepp planen ihren Urlaub. Jana möchte gern all inclusive in ein Hotel, um sich mal so richtig verwöhnen zu lassen. Ihr Mann Sepp möchte lieber Urlaub auf dem Campingplatz machen, weil er gern direkt draußen in der Natur ist.
  2. Sabines Kollege Heinz vergisst des Öfteren, ihr wichtige Informationen weiter­zu­geben. Sabine ist dadurch oft nicht über aktuelle Vorgänge auf dem Laufenden und ärgert sich.
  3. In einem ambulanten Pflegedienst gilt die Vereinbarung, das Dienstauto nicht mit leerem Tank abzustellen. Eine Kollegin achtet nicht darauf. Irene muss deshalb oft mit dem Wagen erst zum Tanken fahren und kommt in Zeitnot.

Merkmale eines Bedürfniskonflikts

Bei einem Bedürfniskonflikt beein­trächtigt dich das Verhalten einer anderen Person unmit­telbar in der Befriedigung deines Bedürfnisses.

  • Wenn es dir leicht fällt zu beschreiben wie es dir geht, wenn dein Bedürfnis nicht erfüllt wird, ist es vermutlich ein Bedürfniskonflikt.
  • Menschen können zwar verschiedene Bedürfnisse haben, können aber das Bedürfnis des anderen – wenn vielleicht auch wider­willig – nachvollziehen.
  • Über (echte) Bedürfnisse zu disku­tieren, macht wenig Sinn.
  • Vorausgesetzt, es handelt sich nicht um verkappte Verhaltensanweisungen
    ("Ich habe das Bedürfnis, dass du endlich aufhörst, ständig dein Handy zu checken."). Lies hierzu den Artikel Abwertungen, der Zündstoff im Konfliktgespräch

Lies hierzu auch: Bedürfnisse in Konfliktsituationen – wieso es wichtig ist, sie auszudrücken

Erläuterung zu Beispiel 1:

Jana beschreibt ihr Bedürfnis: "Ich möchte im Urlaub mal nichts mit Kochen und Hausarbeit zu tun haben. Ich möchte mit einem üppigen Büffet verwöhnt werden und alle Viere von mir strecken."

Sepp beschreibt sein Bedürfnis:
"Ich sitze tagein und tagaus im Büro. Im Urlaub möchte ich möglichst viel draußen in der Natur sein. Ich möchte morgens vom Vogelzwitschern geweckt werden und direkt vom Zelt in den See springen. Im Hotel fühle ich mich so abgeschnitten von der Natur." 

Bedürfnisse lassen sich leicht nachvoll­ziehen, selbst wenn man ein anderes Bedürfnis hat.

Auf Basis der Bedürfnisse zu argumen­tieren, ist im Konfliktgespräch ein großer Vorteil. Denn wenn du beschreibst, welche Auswirkungen es für dich hat, wenn dein Bedürfnis nicht befriedigt wird, reagieren andere Menschen empathischer.

Dein Gegenüber wird eher bereit sein, deine Bedürfnisse anzuer­kennen, wenn du ihm keine Vorwürfe machst, weil er andere Bedürfnisse hat.

Eine Lösung für den Bedürfniskonflikt von Sepp und Jana könnte zum Beispiel sein, einen Bungalow auf einem Campingplatz zu mieten und im Campingclub Essen zu gehen.

Wie du Schritt für Schritt bei einem Bedürfniskonflikt vorgehst, erfährst du hier:
Ein faires Konfliktgespräch führen

Beispiele für Wertkonflikte:

  1. Johannas Mann Leo achtet nach ihrer Meinung zu wenig auf seine Gesundheit. Sie möchten ihn dazu bewegen, sich gesünder zu ernähren und sich mehr sportlich zu betätigen.
  2. Das Zimmer von Richards 14-​jährigem Sohn Fabian ist ein einziges Chaos. Richard möchte, dass er es aufräumt [ein häufiges Thema in Familien].
  3. Luises Kollege Simon schert sich nicht um Mülltrennung. Er wirft alles in den Abfalleimer. Luise ist empört über so viel Ignoranz.

Merkmale eines Wertkonflikts

Das Verhalten der anderen Person entspricht nicht deinen Wertvorstellungen. Auch wenn du nicht beein­trächtigt bist in der Befriedigung deiner Bedürfnisse, möchtest du, dass die andere Person sich entspre­chend deiner Wertvorstellungen verhält.

  • Wertkonflikte erkennst du daran, dass du auf deine Appelle abwei­sende Antworten bekommst wie diese:
    - Lass mich in Frieden. Kümmere dich um deine Angelegenheiten.
    - Das ist meine Sache. Misch dich nicht ein.
    - Das geht dich nichts an. Ich mach das wie ich will.
  • Dein Gegenüber weist dein Ansinnen entschieden zurück und ärgert sich über die Einmischung in seinen persön­lichen Bereich.
  • In der Auseinandersetzung zwischen den Generationen (Großeltern, Eltern und Jugendliche) sind Wertkonflikte an der Tagesordnung.
  • In meinen Seminaren führten ganz Gewitzte folgende Argumente an:
    - Es ist mir ein großes Bedürfnis, dass mein Mann sich mehr bewegt und sich gesünder ernährt.
    - Ich habe das Bedürfnis, dass mein Sohn endlich seinen Saustall aufräumt.
    Man kann eine Wertvorstellung als Bedürfnis erklären. Doch mit dieser Art von Verdrehung stößt man meist auf taube Ohren.

Erläuterung zum Beispiel 1:

Johannas Mann stimmt seiner Frau vielleicht zu, dass er mehr für seine Gesundheit tun sollte und mehr Sport machen müsste. Doch sein Schweinehund hat die Oberhand. Johanna könnte vielleicht argumen­tieren, dass sie Angst hat, er könnte einen Herzinfarkt zu erleiden.

Hier erfährst du, welche Möglichkeiten es gibt, jemanden zu einer Verhaltensänderung zu verleiten: 6 Wege zum Umgang mit Wertkonflikten

Du ersparst dir auf jeden Fall viel Frustration, wenn du nicht versuchst, einen Wertkonflikt wie einen Bedürfniskonflikt zu behandeln. Wertkonflikte müssen anders angegangen werden.


Ich freue mich über deinen Kommentar.

7 Kommentare
  1. Jessica sagte:

    Ich brenne darauf,genau das zu erfahren. Mein Partner und ich haben völlig unter­schied­liche Sozialisationen genossen. Er ist ein Leistungsmensch, gönnt sich nur selten Auszeiten, während ich emotionale und durchaus auch spiri­tuelle Wegweiser in meinem Leben verorte. Zwischen uns bedeutet das keinen wirklichen Konflikt. Meine Freunde jedoch werden für ihr Handeln, in dem ich deutlich auch meine Leitmotive sehe, von meinem Partner verur­teilt und erbar­mungs­los­be­wertet, bzw. abgewertet.
    Ich bin ratlos, wie ich damit umgehen kann.

    Antworten
    • Karin Mager sagte:

      Hallo Jessica,
      es gibt hier jetzt endlich einen Artikel zum Umgang mit Wertkonflikten. Schau doch mal, ob er dir weiterhilft.

    • Karin Mager sagte:

      Dein Feedback freut mich. Und du erfährst in meinem Blog ja auch, wie du mit den unter­schied­lichen Konfliktarten umgehen kannst.

  2. Marie-Luise Moritz sagte:

    Danke für die klare und unver­krampfte Ausdrucksweise. Das hilft mir wirklich, beides zu unter­scheiden und nachzu­denken, worum es mir geht. Gute Art, damit umzugehen.

    Antworten

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